Das Smartphone ist in diesen Tagen bei Marcus Uhlig ein treuer Begleiter. Beim neuen RWE-Vorsitzenden hört es in diesen Tagen selten auf zu „brummen“. Dennoch nahm er sich die Zeit für ein ausführliches Interview, nachdem er eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen hatte: Das Handy wurde mit dem Display zur Tischplatte gelegt. „Nicht, dass Sie noch den Trainernamen lesen können“, lachte er. Dann konnte es losgehen.
Herr Uhlig, Haben Sie in den knapp drei Monaten, in denen Sie jetzt hier sind, die DNA von Rot-Weiss schon aufgeschlüsselt? Marcus Uhlig: Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich sie vorher schon kannte. Diese totale Bedingungslosigkeit, dieses krasse Schwarz-Weiß-Denken, auch das ist hier anders als an anderen Standorten. Irgendeiner hat mal gesagt: Rot-Weiss, das ist Himmel und Hölle. Es gibt etliche, die sagen: Egal, in welcher Liga, auch wenn wir Kreisliga C spielen, wir kommen immer. Das ist sehr besonders, ich finde diese Haltung gut. Damit muss man umgehen.
Haben Sie in Ihrer Zeit hier denn schon feststellen können, dass das Thema Sponsoren ein schwieriges Terrain ist? Wir haben über 400 Partner, das ist eine Anzahl, da würde sich mancher Zweitligist darüber freuen. Zu konstatieren ist ja, dass in den letzten Jahren durchaus einige größere Engagements weggebrochen sind, Stichwort Innogy. Der Gesamtumsatz ist aber nicht weniger geworden. Das heißt: Rot-Weiss Essen hat mit dem Vertriebsteam hier erfolgreich gegen das Wegbrechen der großen Partner angearbeitet. Wir sind einer der ganz wenigen Klubs in der Liga, die ihren Spielbetrieb ausschließlich aus dem operativen Geschäft finanzieren. Wir haben keinen reichen Onkel, der als Mäzen an unserer Seite ist. Also müssen wir schauen, dass wir im Sponsoring noch besser werden. Was Michael Welling hier aufgestellt hat, ist schon absolut bemerkenswert, da müssen wir einfach weitermachen. Dafür müssen wir wieder Lust und Begeisterung wecken und gute Konzepte haben.
Ist Hoch3 dabei inzwischen eine Bürde? Ich finde, Hoch3 ist eine überragende Idee. Die Wortspielerei heißt: Wir wollen in die Dritte Liga – und wir nehmen uns drei Jahre dafür Zeit. Wir haben ein Konzept, damit möchten wir möglichst viele Menschen, Fans, Mitglieder, Sponsoren hinter diese Idee kriegen, alles dafür zu tun, dass wir in den nächsten drei Jahren den Sprung in die Dritte Liga schaffen. Was soll daran falsch sein? Leider wird die Idee häufig etwas verkürzt dargestellt, als hätte Rot-Weiss den Aufstieg innerhalb von drei Jahren versprochen. Hat aber niemand. Was dahinter steckt ist, Kräfte für die sportlichen Ambitionen zu bündeln. Das Konzept sagt: Komm, lass uns alle nochmal zusammenlegen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass wir den Sprung in den nächsten drei Jahren schaffen. Hoch3 gibt uns eine Grundplanungssicherheit, mit der wir in der nächsten Saison arbeiten können.
Sie haben eine Frage gestellt, was soll daran falsch sein? So eine Idee verbrennt ja auch. Was kommt denn danach, wenn das Ziel nicht erreicht wird? Vielleicht das Konzept „Jetzt erst recht“? Dann stellen wir den Spielbetrieb ein und melden Rot-Weiss Essen ab (lacht). Im Ernst: Ich bin jetzt hier nicht an der Stelle, um große Phrasen zu dreschen. Hoch3 hat funktioniert, Hoch3 funktioniert immer noch, jetzt werden wir alles dafür tun, dass wir uns sportlich so aufstellen, dass wir für die nächste Saison die Wahrscheinlichkeit erhöhen, so lange wie möglich oben mitzuspielen. Das, finde ich, ist kein Widerspruch zu Hoch3. Lasst uns doch mal gucken, dass wir noch ein paar Plätze höher kommen. Lasst uns doch mal gucken, dass wir möglichst den Pokal gewinnen. Ich erinnere mich auch noch an den September /Oktober 2017, da war die Stimmung scheiße hier. Lasst uns doch mal gucken, dass wir die Stimmung bis April/Mai hier so gedreht kriegen, dass alle Leute wieder Lust auf die neue Saison bekommen. Wir versprechen nicht den Aufstieg, aber wir geben alles dafür, dass es maximal gut wird. Keine unrealistischen Sachen versprechen – aber richtig Schwung, richtig Energie holen. Damit nicht wieder ein Deja-Vu-Erlebnis passiert, dass wir nicht schon im September der Musik aussichtslos hinterherlaufen.
Jetzt gibt es ja durchaus Stimmen, die sagen, Hoch3 hat nicht funktioniert, finanziell schon, aber sportlich ist nichts herumgekommen, wenn man die beiden ersten Saisons betrachtet. Was sagen Sie denen? Was soll ich denen denn sagen? Oder das, was ich vorher gesagt habe, das sage ich jedem Einzelnen gerne. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen, aber wir wollen die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Ich bin jetzt neu hier, ich darf das einmal sagen: Wenn mein Gegenüber meint, das haben wir jetzt schon fünf Jahre lang gehört, dann sage ich: Dafür kann ich nichts, dann sage ich es euch zum sechsten Mal. Ich hoffe, dass ihr uns zumindest glaubt, dass wir nochmal Schwung holen werden und müssen. Und daran arbeiten wir.
Kann das auch zur Belastung werden? Das kann sicherlich zu einer Belastung werden, aber das ist dann noch mal ein besonderer Antrieb, ein Auftrag, der bestimmt auch mal besondere Drucksituationen erzeugen kann. Andererseits muss man aber auch sagen: In welchem Verein, in welchem professionellen Fußballumfeld hat man denn keinen Druck? Ich hoffe, dass es für mich immer ein besonderer Antrieb bleibt und nie zur Belastung wird.
Es waren ja gerade wieder unruhige Wochen im Verein. Wie wichtig ist es, so ein Funktionsteam wie hier hinter sich zu wissen? Das Team hinter dem Team, die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, sind richtig richtig gut, das habe ich schnell gemerkt. Sie sind sehr motiviert, da sind wir sehr gut aufgestellt.
Da gibt es aber auch die Meinung vom aufgeblähten Verwaltungs-Apparat. Ich kann verstehen, dass so ein Bild entsteht, aber aufgebläht ist falsch. Der Verein, wie er sich momentan darstellt, der hat sich ja in den letzten Jahren dahin entwickelt. Aus der Insolvenz raus, mit diesem Stadion, mit dieser Struktur. Mit dem richtig guten Vermarktungsbereich, mit dem Team in der Geschäftsstelle. Mit total sauberen Finanzen. Wir haben nicht viel Geld, aber vor keiner Zahl steht ein Minus. Und mit dem richtig positiven Imagewandel auch im Kontext der Stadtgesellschaft. Und jetzt lasst uns doch mal auf dieser richtig guten Basis aufbauen, sportlich den nächsten Schritt zu gehen. Dass, was hier an Positivem aufgebaut wurde, dass wird immer zurecht mit dem Namen Michael Welling verbunden sein – und nun müssen wir im sportlichen Bereich nicht nur an Spielerbeine denken, sondern auch schauen, wie wir die Infrastruktur drumherum verbessert kriegen. Neben dem Kader müssen wir uns auch um viele Themen daneben kümmern, da müssen wir breiter werden. Auf dem Trainingsplatz läuft neben dem Kader nur noch Jürgen Lucas herum. Nicht falsch verstehen: Jürgen zerreißt sich für den Verein, opfert seine komplette Freizeit und leistet richtig gute Arbeit. Aber wir müssen uns um ihn herum breiter aufstellen.
Ein spannendes Thema ist dabei das Scouting, wie stehen Sie dazu? Ich glaube, und da bin ich mit Jürgen Lucas d’accord, dass wir neben der Kaderplanung viele infrastrukturelle Themen rund um den Sport zeitnah optimieren müssen, insbesondere das Scouting.
Auf Seite zwei des Interviews spricht Marcus Uhlig über die Trainersuche sowie die Ausgliederung der ersten Mannschaft